6. Diskussionsrunde
des Arbeitskreises Policey/Polizei im vormodernen Europa
am 19. Juni 2003
Policey, öffentliche Ordnung und Militär.
Aufgaben des Militärs zur Aufrechterhaltung der „guten Policey“
in der Frühneuzeit
Programm
Catherine Denys (Lille):
The army as a support and a model for the urban police forces in France and Austrian Netherlands during the 18th century.
als e-Publikation: PoliceyWorkingPaper 10 (2005)
Robert Meier (Würzburg):
Das Wertheimer Militär und seine polizeilichen Aufgaben.
als e-Publikation: PoliceyWorkingPaper 7 (2004)
Hanna Sonkajärvi (Florenz):
Auf der Suche nach einer „guten Policey“ zur Kontrolle des Militärs: Städtische Normen und das Militär in der freien Stadt Straßburg im 18. Jahrhundert.
als e-Publikation: PoliceyWorkingPaper 8 (2004)
Jutta Nowosadtko (Essen):
Policey-Aufgaben des Militärs, Konfliktpotential und Kooperation mit den städtischen und staatlichen Behörden am Beispiel Münster.
Themenexplikation
In den letzten beiden Jahrzehnten haben Fallstudien den Blick nicht nur auf die Spezifika der Ordnungserhaltung und -sicherung im Spätmittelalter und in der Frühneuzeit, sondern auch auf die Eigentümlichkeiten der mit diesen Aufgaben betrauten Amtsträger gelenkt. Dank der Befunde dieser Untersuchungen, über die bereits erste Überblicksdarstellungen vorliegen (vgl. Pröve 1997, Kroener 2000, Nowosadtko 2002 undHolenstein/Konersmann/Pauser/Sälter 2002), treten die Unterschiede zu den modernen Ordnungskräften und ihren Aufgaben, wie sie im Nationalstaat des 19. Jahrhunderts per Gesetz, in der Staatslehre und in fachwissenschaftlichen Handbüchern formuliert wurden, deutlich zu Tage. Das gilt gleichermaßen für die Polizei und für das Militär. Im modernen Nationalstaat hatte die Polizei im wesentlichen für die Durchsetzung und Aufrechterhaltung des staatlichen Gewaltmonopols nach innen und das Militär für die Verteidigung von Staat und Gesellschaft nach außen zu sorgen. Im Spätmittelalter und in der Frühneuzeit bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts lassen sich hingegen weder die Aufgabenfelder noch das Personal von militärischen und policeylichen Institutionen in jedem Fall strikt voneinander trennen. Auch die mit Ordnungsaufgaben betrauten Amtsträger waren in der Vormoderne deutlich stärker in die ständisch-korporativ verfaßten Gesellschaften eingebunden als das für ihre Nachfolger von der Mitte des 19. Jahrhunderts infolge von Ausbildung, Uniformierung, Bewaffnung und Kasernierung der Fall war.
Die geplante Tagung zielt
- auf die Erschließung von Funktionen und Amtspraktiken zwischen solchen zunächst aus methodischen Gründen analytisch zu unterscheidenden militärischen und policeylichen Regelungsbereichen bzw. Aufgabenfeldern.
- ist eine nähere Beschreibung und Kennzeichnung der mit den entsprechenden Aufgaben betrauten Personen beabsichtigt und
- sollen die Beziehungen zwischen dem Personal und der lokalen Gesellschaft, in der sie lebten, erschlossen werden. Denn trotz der bekannten Überschneidungen zwischen Militär und Policey in der Vormoderne ist auf einige Unterschiede aufmerksam zu machen, die z.B. den jeweils zuständigen Gerichtsstand betreffen, da Militärangehörige zumindest in der Frühneuzeit von der normalen Gerichtsbarkeit eximiert waren, oder die den Zivilstand einfacher Soldaten betreffen, die in der Regel nicht verheiratet waren. Ganz davon abgesehen waren sie strengeren Verhaltensregularien unterworfen als die meisten zivilen Ordnungskräfte.
Da die Frage nach der Rolle des Militärs in policeylichen Regulierungsbereichen in der Vormoderne bisher nur selten aufgegriffen worden ist, bewegt sich die Tagung weitgehend in einem Forschungsneuland. Im folgenden sollen einige möglichen Themenbereiche skizziert werden, die als Anregungen dienen mögen:
- In welchen policeylichen Regelungsbereichen wurden Miltär, Streifen und Militär eingesetzt?
- Worin unterschieden sich die Funktionen von Bürgerheeren, Streifen und stehendem Heer?
- Wie und von wem wurden sie bezahlt?
- Wo wohnten die Soldaten und ihre Angehörigen auf dem Land bzw. in der Stadt?
- Wer war für die Militärverwaltung zuständig? Welche strukturellen und funktionellen Querverbindungen bestanden zur Zivilverwaltung?
- Welche Aufgaben hatte die Militärgerichtsbarkeit? Welche Funktionen wurden ihr in bezug auf die Öffentlichkeit übertragen? Worin unterschied sie sich von der Zivil- und der Policeygerichtsbarkeit und in welchen Bereichen gab es Überschneidungen?
- Das Ende des 16. Jh.s reorganisierte Milizwesen im Sinne der Oranischen Heeresreform sah den Aufbau militärisch geschulter Bürgerheere nach antikem Vorbild vor, die nach den Forschungen Gerhard Oestreich ganz erheblich zur Disziplinierung des Untertanenverbandes gerade in Klein- und Mittelstaaten beigetragen hätten, die sich stehende Heere nicht leisten konnten. Wann und Wie wurde diese Militärreform realisiert? Wurden alle wehrhaften Männer herangezogen? Worin bestand im einzelnen ihre militärische Schulung? Wie lange hatten diese als ‚Landdefensionswerk‘ bezeichneten militärischen Verbände bestand?
- Welche Rolle spielten ständisch-korporative Kräfte beim Aufbau von Policey- bzw. Militärkräften?
- In welchem Verhältnis standen Militär- bzw. Policeykräfte zur Obrigkeit bzw. Regierung?
- Inwiefern wurden den Vertretern des Militärs bzw. der Policeyinstitutionen ein anderes Verhalten im Alltag und an Festtagen als den Bürger und Untertanen abverlangt?
- Wie sah das Selbstverständnis der militärischen und policeylichen Ordnungskräfte aus? Welche Vor- oder Leitbilder sind erkennbar?
- Wie wurden zivile Ordnungskräfte und Militär von Bürgern und Untertanen wahrgenommen?
- In welchen gesellschaftlichen Bereichen waren Konflike mit diesen Ordnungskräften notorisch, in welchen waren sie eher selten?
- Wie sahen die sozialen Beziehungen dieser Ordnungskräfte aus? Waren sie in lokale Netzwerke eingebunden? Waren sie attraktive bzw. unattraktive Heiratspartner, Paten und Fürsprecher?
Zur genannten Literatur
- Ralf Pröve (Hrsg.), Klio in Uniform? Probleme und Perspektiven einer modernen Militärgeschichte der Frühen Neuzeit, Köln/Weimar/Wien 1997.
- Bernhard R. Kroener, Militär in der Gesellschaft. Aspekte einer neuen Militärgeschichte der Frühen Neuzeit, in: Thomas Kühne/Benjamin Ziemann (Hrsg.), Was ist Militärgeschichte?, Paderborn/München/Wien/Zürich 2000, S. 283-300.
- Jutta Nowosadtko, Krieg, Gewalt und Ordnung. Einführung in die Militärgeschichte, Tübingen 2002; vgl. dies., Militärpolizei. Die innerstaatlichen Aufgaben der stehenden Heere des Ancien Régime als Forschungsproblem, erläutert am Beispiel des Fürstbistums Münster, in: André Holenstein/Frank Konersmann/Josef Pauser/Gerhard Sälter (Hrsg.), Policey in lokalen Räumen. Ordnungskräfte und Sicherheitspersonal in Gemeinden und Territorien vom Spätmittelalter bis zum frühen 19. Jahrhundert, Frankfurt/Main 2002, S. 317-340.
- André Holenstein/Frank Konersmann/Josef Pauser/Gerhard Sälter, Der Arm des Gesetzes. Ordnungskräfte und gesellschaftliche Ordnung in der Vormoderne als Forschungsfeld (Einleitung), in: dies. (Hrsg.), Policey (wie oben), S. 1-54.
Tagungsberichte zur 6. Diskusionsrunde
- Tagungsbericht vom 17.7.2003 (Eva Wiebel) über die Historikermailingliste H-SOZ-KULT.
- AHF-Information. 2003, Nr.095 (Stefan Kleinschmidt) auf der Homepage der AHF München.
- Ulla Schuh: Policey, öffentliche Ordnung und Militär. Aufgaben des Militärs zur Aufrechterhaltung „guter Policey“ in der Frühneuzeit. Bericht über die 6. Tagung des AK „Policey/Polizei im vormodernen Europa“ (APO), in: Militär und Gesellschaft in der Frühen Neuzeit 7 (2003) Heft 2, S. 205-210.